Freitag, 7. Oktober 2011

Weltwissen der Siebenjährigen

Mit sieben Jahren standen oder stehen die meisten Kinder in Deutschland vor einem großen Schritt in ihrer Bildungsbiographie. Der Wechsel von der KiTa in die Grundschule wirft auch für Eltern Fragen auf, "Was wird von meinem Kind erwartet?", "Was muss es zu Beginn der Grundschule können?".
Donata Elschenbroich hat zu dieser Frage ganz praktisch geforscht und hunderte Interviews geführt. Mit Medizinern, Lehrern, Journalisten, mit Managern, Erfindern, Handwerkern und natürlich mit Familien. Entstanden ist daraus eine lange Liste und die nennt ganz pragmatische Handlungen wie "einen Witz erzählen", "schaukeln können", "Beeren von einem Busch gepflückt haben", berührt aber auch die emotionale Ebene, "die eigene Anwesenheit als positiven Beitrag erlebt haben" oder "ein Geheimnis für sich behalten können".
Elschenbroich gibt keine Anleitung für einen Bildungskanon, keine Checkliste. Sie lenk die Aufmerksamkeit von Eltern und Erziehern auf die Bedürfnisse der frühen Kindheit und vor allem deren Möglichkeiten. Im Blick dabei immer die Widersprüche die eine solche Liste hervorruft; vielleicht muss nicht jedes Kind ein chinesisches Schriftzeichen schreiben können, die Möglichkeiten der Schrift sind jedoch für die meisten Kinder in diesem Alter ein spannedes Thema und vielleicht gibt dies ja Anlass für ganz neue Kenntnisse, Fertigkeiten und Interessen des Kindes. Neben den Interviews geht die Autorin gegen Ende auch auf Bildung der frühen Kindheit in anderen Ländern ein, zeigt Gemeinsamkeiten und Unterschiede.

Zum Teil schreibt Donata Elschenbroich sehr romantisierend, was wohl in vielen Büchern zum Thema der Fall ist. Ich empfand dies zunächst als störend, vermutlich, weil ich weniger einen Bevölkerungsquerschnitt erwartet hatte als viel mehr von "handfesten" Forschungsergebnissen untermauerte Schlussfolgerungen. Öfter mal zur Seite legen hilft bei diesem Buch jedoch die eigentlich interssanten Anregungen aufzunehmen. Mein persönliches Highlight: Das "Ich-als-Kind"-Buch, die Empfehlung zu einer Art Tagebuch für das Kind, das helfen soll sich selbst in unterschiedlichen Stadien der Kindheit zu erleben, abzuwägen, einzuordnen und Entwicklungen erstaunt selbst zu entdecken.


Donata Elschenbroich
- Weltwissen der Siebenjährigen- Wie Kinder die Welt entdecken können
Goldman, 2002
ISBN: 3442151759

Samstag, 18. September 2010

The No. 1 Ladies' Detective Agency

Als ihr Vater stirbt verwendet Precious Ramotswe das Erbe um ihren Traum zu verwirklichen: Eine Detektei mitten in Botswana geführt von ihr selbst. Zwar verläuft der Start zunächst schleppend, doch bald schafft Mma Ramotswe es sich einen Namen zu machen, verfolgt ehebrechende Männer und Versicherungsbetrüger, findet verschwundene Kinder.
"The No. 1 Ladies' Detective Agency" ist der erste Teil einer ganzen Krimireihe von Alexander McCall Smith. Erzählt wird kein einzelner Fall, sondern viele kleine Begebenheiten und Kuriositäten im Alltagsgeschäft der ersten weiblichen Detektivin in Afrika. Verbindendes Element des Buches bleiben lediglich die privaten Umstände, die die Arbeit von Mma Ramotswe beeinflussen und die Schilderungen zur Geschichte und Kultur Afrikas. Kein ganz typischer Kriminalroman, vielmehr eine Sammlung zusammenhängender kurzer Episoden und ein Panorama Botswanas. Spannender fände ich allerdings die Ermittlungen in einem größeren Rahmenfall, die vielen Fortsetzungen halten hoffentlich etwas Zusammenhängenderes bereit.


Alexander McCall Smith
- The No. 1 Ladies' Detective Agency
abacus, 2003
ISBN: 034911675X

Dienstag, 31. August 2010

Der Verdacht des Mr Whicher

Im Landhaus der Familie Kent geschieht Mitte des 19. Jahrhunderts ein Kindsmord. Der ehemalige Streifenpolizist Jack Whicher wird damit beauftragt den Fall aufzuklären über den das ganze Land spricht. Whicher beginnt mit seinen Nachforschungen, hat Motiv und vermeintlichen Täter schnell gefunden, doch die Öffentlichkeit hat Zweifel an der Schuld und bald muss der Inspektor selbst sich rechtfertigen.
Wer hier einen klassischen Krimi erwartet wird wohl enttäuscht sein. Zwar untersucht Inspektor Whicher einen grausamen Mord, präsentiert Täter und Motiv, aber der Fokus des Buches liegt auf der genauen Rekonstruktion des Tathergangs, der Ermittlungen und vor allem der Familiengeschichte anhand von Zeitungsberichten und Akten. So wirkt das Buch weniger wie ein Stück Literatur, vielmehr wie ein genauer Bericht, was der Lesefreude jedoch keinen Abbruch tut. Zwar scheint das lange Personeninventar zu Beginn verwirrend und die Beschreibungen Whichers früherer Ermittlungen werden zuweilen langatmig, lässt man sich jedoch auf den Stil ein, findet man ein genau recherchiertes Buch mit zahlreichen Anmerkungen, Quellenangaben, Fotografien und Karten, die das Geschehen greifbar werden lassen.
Am interessantesten für mich war die Verbindung des Roadhill-Mordes zu zahlreichen klassischen Kriminalgeschichten wie "The Moonstone" von Wilkie Collins, ganz nebenbei wird so ein Stück Literaturgeschichte erläutert. Aber auch die Erklärungen zur Entstehung der Kriminalpolizei und die genaue Darstellung des Alltags der Streifenpolizei im viktorianischen England lockern die Erzählung auf. Und ein wenig bleibt Summerscales Bericht dann doch noch Kriminalroman: Am Täter bleiben bis zum Schluss Zweifel.

Kate Summerscale - Der Verdacht des Mr Whicher
(ot: The Suspicions of Mr Whicher)
bvt, 2009
ISBN: 3833306424

Dienstag, 13. Juli 2010

David Tage Mona Nächte

Als Mona und David sich kurz am Kudamm begegnen verkündet Mona David in Zukunft Briefe zu schreiben. Überrascht, aber von seiner Neugier überwältigt, lässt dieser sich auf die ihm eher fremde Art der Kommunikation ein - auch wenn sein bester Freund bezweifelt, dass man Mädchen anders als übers Knutschen kennenlernen kann. Bald schreiben die beiden sich in jeder freien Minute, erzählen von ihren Ängsten und Sorgen, streiten und versöhnen sich - bis die beiden sich ihre schlimmsten Erlebnisse anvertrauen.
Mona und David sind alltägliche Teenager mit altersgemäßen Problemen und dem Verlangen danach sie selbst sein zu dürfen. Ungewöhnlich wird es allerdings, sobald man zwischen den Zeilen liest und das Familienleben der beiden betrachtet, denn beide müssen schon lange große Verantwortung übernehmen. Was Steinhöfels und Tuckermanns Briefroman vor allen Dingen auszeichnet ist seine bildhafte Sprache, die zu keinem Zeitpunkt konstruiert wirkt. Die Geschichte endet genauso abrupt wie sie begann.

Andreas Steinhöfel/Anja Tuckermann - David Tage Mona Nächte
Carlsen Verlag, 1999
ISBN: 3551351066

buchstabenreich

Hier soll in nicht allzu ferner Zukunft mein eigenes Reich entstehen, eine Welt aus Büchern, Worten, Buchstaben.